Am 13.05.2022 wäre er 100 Jahre alt geworden: Otto Aicher, genannt Otl, war ohne Frage einer der prägendsten deutschen Grafikdesigner des 20. Jahrhunderts. Er schuf nicht nur zahlreiche wegweisende Logos, sondern blieb der Welt vor allem für das Gesamtdesign, das er für die Olympischen Spiele 1972 entwarf, in Erinnerung. Der Geburtsstunde der Piktogramme, wie wir sie heute kennen. Piktogramme, das sind bildhafte Zeichen, die mit einem passenden Symbol auf einen Gegenstand, Ort oder Zustand verweisen und universell verständlich sind.
Darüber hinaus war Otl Aicher sich vor allem aber immer seiner gesellschaftspolitischen Verantwortung bewusst. Grund genug für uns, sein Leben und seine Arbeit mal etwas näher zu beleuchten.
Wer war er und was machte ihn und seine Arbeit so revolutionär?
Bereits im Alter von nur 15 Jahren leistete Otl seinen ersten zivilen, revolutionären Akt: die Verweigerung des Beitritts zur Hitlerjugend. Dies brachte ihn nicht nur eine Inhaftierung ein, sondern kostete ihn zunächst auch sein Abitur, von dem er 1941 ausgeschlossen wurde. Nach Ende des Krieges wurde ihm der Abschluss nachträglich anerkannt. Otl ging mit Werner Scholl zur Schule – dem Bruder der Geschwister Hans und Sophie Scholl, die wegen ihrer Mitgliedschaft bei der Weißen Rose vom NS-Regime hingerichtet wurden. Mit der Familie Scholl war er eng verbunden, heiratete 1952 sogar die Älteste der Geschwister, Inge Scholl.
Pionier des Corporate Designs
Aicher gilt nicht umsonst als einer der Wegbereiter des Corporate Designs. 1953 waren er und seine Frau Inge Mitbegründer der Hochschule für Gestaltung in Ulm (HfG), die nach dem Bauhaus die wohl international bedeutendste Design-Hochschule war. Dort entstanden unter Aichers Leitung grafische Erscheinungsbilder für Unternehmen wie beispielsweise für die Lufthansa. Geschaffen wurde ein schlüssiger Gesamtauftritt mit Wiedererkennungswert. Das visuelle Erscheinungsbild schloss Essgeschirr und Besteck, die Uniformen des Board-Personals und die Sitzbezüge mit ein. Bis heute wird der Kranich noch in einer leichten Modifikation im Logo verwendet. Auch für die Firma Braun, das ZDF und die Universität Konstanz entwarf er Designobjekte und Logos, die man bis heute kennt.
„Man ist so, wie man sich zeigt, und man zeigt sich so, wie man ist.“
1965 wurde er mit dem visuellen Gesamtkonzept für die Olympischen Spiele 1972 in München beauftragt – sein wohl wichtigstes Werk. Es war der erste große, sportliche Auftritt der jungen BRD. Heiter, freundlich, klar und modern: das Design der Spiele erschien damals wie aus einem Guss und sollte vor allem ein neues, weltoffenes Deutschland präsentieren und gänzlich unpolitisch sein. Ganz bewusst verzichtete Aicher daher auch auf die Farben Schwarz, Rot und Gold und schaffte ein einheitliches Farbleitsystem mit den markanten Regenbogenfarben Himmelblau, Frühlingsgrün, Sonnengelb und Orange.
Um den Besuchern aus aller Welt die Orientierung zu erleichtern, entwickelte das Team rund um Otl Aicher zudem ein grafisches Leitsystem. Zeichen statt Sprache war die Devise: Strichmännchen, welche die verschiedenen Sportarten symbolisieren, ein Telefonhörersymbol, eine Kaffeetasse, die auf Gastronomie hinweist. Bildzeichen gab es schon lange vorher, doch die Piktogramme von Aicher und seinen Mitarbeitern waren in ihrem Aufbau revolutionär: Sie wurden als geometrische Grundformen auf einem klar definierten Raster angelegt, wodurch bestehende Motive ohne allzu großen Aufwand modifizierbar waren.
Bis heute begegnen uns die Piktogramme, die auf Otl Aichers Rastersystem beruhen, in den unterschiedlichsten Bereichen und überall auf der Welt. Nicht umsonst haben sie deshalb Designgeschichte geschrieben!
Bildnachweis: Download von www.designtagebuch.de + Eigene Darstellung