In unserem Alltag sind wir ständig mit Dienstleistungen konfrontiert. Sei es durch:
- das Musikhören über Streaming-Plattformen,
- eine Hotelzimmerbuchung,
- den einfachen Gang zum Supermarkt,
- das Ticketlösen am Parkautomaten,
- den Zahnarztbesuch usw.
Der Umgang mit diesen Diensten ist längst alltäglich geworden und stellt keine Herausforderung dar. Doch was, wenn doch? Und schon stecken wir mitten im Thema „Service Design“.
Service Design beschreibt die analytische, systematische und ganzheitliche Betrachtung der Dienstleistung oder dienstleistungsnaher Produkte aus der Sicht des Kunden. Mithilfe diverser Methoden lassen sich Kundenbedürfnisse klar definieren, um bestehende Services oder Prozesse zu optimieren. Sogar neue Produkte und Dienste lassen sich dadurch entwickeln. Dienstleistungen, Produkte und deren interaktive Prozesse werden holistisch und empathisch betrachtet, um somit die Schnittstellen aus Unternehmen, Marketing, Design und Technologie ermitteln zu können.
Dienstleistungen sind Produkte, die materiell und nicht greifbar sind. Aus genau diesem Grund ist es von großer Bedeutung, dass sie durch Design erlebbar werden. Am Beispiel von dem Überangebot an verschiedenster Streaming-Dienste zeigt sich wie wichtig es ist, sich von der Konkurrenz abzuheben. Nutzer möchten ein bequemes, leicht zu bedienendes und verständliches Werkzeug bekommen. Zufriedenstellende Erlebnisse für den Kunden machen also den Unterschied.
Wie sieht ein ganzheitlicher Prozess aus?
Zeigen wir es anhand eines konkreten Beispiels: Sie möchten sich neue Wanderstiefel kaufen. Dazu besuchen Sie das örtliche Sportgeschäft. Sie betreten den Laden, sehen sich um, finden über Umwege das Regal mit den Wanderschuhen. Dort findet die Entscheidung für den „richtigen“ Schuh über den Preis statt und Sie kaufen den Schuh, der Ihnen zusagt. Schon während des Wanderurlaubs, einigen Blasen und schmerzenden Füßen später, fragen Sie sich, ob Sie in einem anderen Laden nicht doch besser beraten gewesen wären.
Der Service Design-Prozess besteht nach der „Münchberger Methode“ nach Prof. Thorsten Stapelkamp aus fünf Etappen:
- Entdecken
- Definieren
- Entwickeln
- Testen
- Umsetzen
Entdecken
Im ersten Schritt wird „entdeckt“, um anschließend ein Problem oder mehrere Probleme/Handlungsfelder zu definieren. Eine umfangreiche explorative Recherche, Befragungen, Beobachtungen oder die Erstellung von Stakeholder-Maps sind Methoden, um sich empathisch mit dem Problem auseinander zu setzen. So lässt sich feststellen, welche Personen am Prozess beteiligt sind. Die Erkenntnisse aus den einzelnen Recherche-Methoden werden analysiert, interpretiert und geclustert.
Definieren
Durch die Erstellung von Personas, also potentiellen Kunden, erhalten die Erkenntnisse ein Gesicht und werden miteinander verknüpft. Der Nutzer rückt stärker in den Fokus. Mittels sog. Costumer-Journeys (welche Schritte durchlebt der Kunde beim Service-Prozess?) werden Kontaktpunkte (Touchpoints) des Nutzers mit der Dienstleistung visualisiert, um Lösungen für das Problem zu finden. Durch diese Vorgehensweise hat das Projektteam einen umfangreichen Prozess-Überblick und kann dadurch sehr genau Briefings und Projektpläne erstellen.
Entwickeln
Im Anschluss geht es ans Entwickeln. Mittels Brainstorming sucht man Lösungen für die zuvor definierten Probleme. Unterschiedliche Kreativtechniken kommen zum Einsatz, um ein möglichst breites Spektrum an Lösungsansätzen zu generieren. Wichtig ist dabei, dass eine offene und motivierende Atmosphäre herrscht – denn jede Idee ist wichtig! Wie Albert Einstein passend formulierte: „Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.“ Es gilt hier wirklich alle Ideen zuzulassen, seien sie noch so absurd. In manchen Fällen ist es zudem sinnvoll externe Personen hinzuzuziehen, um weitere Perspektiven zu gewinnen. Mithilfe eines sogenannten Service-Blueprints werden die Lösungsansätze für den Service-Prozess visualisiert und verständlich gemacht.
Testen
Nun haben sich viele Lösungsansätze ergeben. In der Theorie funktionieren diese sehr gut. Doch jetzt heißt es diese praktisch zu testen. Man prüft die technische Umsetzbarkeit, die Wirtschaftlichkeit und, nicht zu vergessen, die Nutzerfreundlichkeit. Es werden Prototypen erstellt und Service-Abläufe durchgespielt. Dadurch zeigt sich schnell, welche Ideen Bestand haben und welche sich nicht umsetzen lassen, weil dadurch evtl. sogar neue Probleme entstehen.
Umsetzung
Auf Basis der ersten vier Prozessschritte wird nun an der Umsetzung gearbeitet. Das finale Konzept erhält Gestalt. Projektteams bekommen einzelne Aufgaben zugewiesen und ggf. werden externe Dienstleister ins Boot geholt. Wichtig in der letzten Phase ist, dass der Projektstand transparent kommuniziert wird, um gemeinsam das Ziel im Auge zu behalten.
Kommen wir abschließend zurück zu unserem Beispiel des „Wanderstiefel-Kaufs“:
Wie könnte hier ein optimierter Service Design-Prozess aussehen? Vor dem Kauf könnte ein Termin zur Beratung vereinbart werden. So wüssten Sie in jedem Fall, dass Ihnen ein Fachberater zur Seite steht. Ein Mitarbeiter, der Sie am Eingang begrüßt und Ihnen gleich den Weg zu den Wanderschuhen erklärt, hilft zur schnellen Orientierung. In der Abteilung angekommen, könnten großformatige Wanderbilder aus dem Hochgebirge dabei helfen, Vertrauen in die Fachkenntnisse des Beraters sowie des Geschäfts aufzubauen. Man fühlt den Themenbezug.
Es wurde Ihnen geholfen, einen Schuh in der richtigen Größe zu finden. Doch zeigt sich erst in der „Belastung“ wie sich der Schuh am eigenen Fuß wirklich anfühlt. Genau hierfür könnte ein kleiner Parcours mit unterschiedlichen Untergründen und Steigungen dienen. Angelehnt an die zu erwartenden Wege im Gebirge – optisch dekorativ und dazu sehr praktisch. Durch diese Simulation bauen Sie als Kunde eine Beziehung zum Produkt auf.
Im Idealfall stehen Sie am Ende an der Kasse und erzählen der Verkäuferin, dass Sie mit der Beratung sehr zufrieden waren. Sie freuen sich schon auf die anstehende Wandertour und tragen sich in einen Newsletter des Geschäfts ein, weil Sie so überzeugt von der persönlichen Fachberatung waren. Einige Wochen nach Ihrem Urlaub erhalten Sie eine Postkarte, mit der sich das Sportgeschäft nach der Zufriedenheit Ihres Kaufs und den Schuhen erkundigt. Natürlich sind Sie begeistert über das Rundum-Programm und fühlen sich in jeder Phase bei Ihrer Kaufentscheidung bestätigt. Diesen Laden kann man weiterempfehlen.
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