Wer ist eigentlich Ihre Zielgruppe? Eine Frage, die leicht zu beantworten scheint, es jedoch gar nicht immer ist.
In jedem Strategieworkshop oder gutem Briefing stößt man früher oder später genau auf diesen nicht unwichtigen Gesichtspunkt. In dieser Situation gibt es meist nur zwei Verläufe: Entweder das Unternehmen kennt seine Zielgruppe schon sehr genau, hat sie eingehend analysiert und versteht sie in all ihren Engpässen oder man glaubt zu wissen, wer sein Kunde ist, stellt aber im weiteren Prozess fest, dass viel zu wenig Informationen zur eigenen Zielgruppe bestehen oder dass man sich schon seit vielen Jahren in die falsche Zielgruppe investiert. Für beide Fälle gilt: Wer seine Dienstleistungen und Produkte erfolgreich verkaufen möchte, muss sich ständig und intensiv mit seiner Zielgruppe beschäftigen. Wo halten sich meine Kunden auf? Wie ticken sie? Was sind ihre Interessen, Ängste und Ziele und – das ist besonders wichtig – wie kann ich diese mit meinem Unternehmen, dessen Vision und Leistungen, lösen?
Leider machen es die meisten Unternehmen hier falsch. Sie basteln Leistungspakete, versuchen diese immer weiter zu optimieren und sich selbst zu übertreffen und wählen dann die geeignete Zielgruppe hierfür. Natürlich muss Ihre Kundschaft zu ihrem grundlegenden Leistungsbereich passen, das konkrete Angebot für sie darf aber erst entwickelt werden, wenn Sie sich sicher sind, dass sie der richtige Problemlöser für sie sind.
Was ist überhaupt eine Zielgruppe?
Vereinfacht ist eine Zielgruppe nichts anderes als eine Gruppe von Menschen, die mit bestimmten Marketingaktivitäten angesprochen werden sollen. Diese Gruppe muss in sich homogen sein, sich also in verschiedenen möglichen Gemeinsamkeiten ähneln.
Für den B2C-Bereich können dies sein:
- Soziodemographische Daten, wie z.B. Alter, Geschlecht, Herkunft, Familienstand, Einkommen, etc.
- Psychologische Daten: Mögliche Merkmale basieren hier vor allem auf dem limbischen System. Diese können sein: Sicherheit, Abenteuer, Innovation, Emotionen, Triebverhalten, Einstellung, Status, etc.
- Medienorientierte Daten: Diese Gruppe verwendet gleiche oder ähnliche Medien.
- Verhaltensorientierte Daten: Sind Ihre Kunden Erstnutzer, haben Sie bereits Erfahrung in Ihrem Leistungsbereich? Sind sie preissensibel und was zeichnet ihr Kaufverhalten aus?
Im B2B-Bereich wären es beispielsweise folgende Punkte:
- Organisatorische Merkmale: Faktoren, wie Unternehmensgröße, Unternehmensstandort, Marktanteil, etc.
- Ökonomische Merkmale: Dies können Daten, wie zum Beispiel Finanzen, Liquidität, Bestände, etc. betreffen.
- Kaufverhalten des Unternehmens: Wichtige Punkte sind dabei z.B. gemeinsames Buying Center, Lieferantentreue, Kaufzeitpunkt, Intervalle zwischen Käufen, etc.
- Personenbezogene Merkmale: Charakterzüge der Ansprechpartner in einem Unternehmen. Dies können sein: Informationsstand, Zeitdruck, Preissensibilität, Prestige, etc.
Oft höre ich von Kunden: „Meine Zielgruppe ist der Mittelstand.“ oder „Zu meiner Zielgruppe gehören alle Bauherren.“ – diese Definitionen von Zielgruppen können nicht greifen. Der Mittelstand ist keine Zielgruppe. Das ist als würden Sie sagen: „Ich möchte alle Menschen erreichen, die atmen.“ Hier werden Sie sich aufreiben und haben einen unnötig großen Streuverlust. Was Sie brauchen, ist eine Zielgruppe die greifbar ist – für Ihre Angebotsentwicklung wie für Ihre spätere Marketingstrategie. Vielmehr müsste es beispielsweise heißen: „Meine Zielgruppe sind mittelständische Unternehmen aus dem Bereich der Metallverarbeitung im Bereich Nürnberg +/- 100 km ab XX Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von XX Euro.“ oder „Ich möchte alle Bauherren in der Region Mainfranken ab einem Bauwert von XXX.XXX Euro erreichen, die Wert auf eine exklusive und qualitative Ausstattung Ihres Einfamilienhauses legen und ein Mindesteinkommen von XXX.XXX Euro haben.“ Das sind konkrete Ausgangspunkte, auf die man ein Unternehmen stützen kann.
Wie vorgehen bei verschiedenen Zielgruppen?
Diese Frage bekomme ich sehr oft bei Erstgesprächen zu Strategie- und Positionierungsworkshops gestellt. Wenn ein Unternehmen auf verschiedenen Leistungsbereichen aufgebaut ist, kommt es oft vor, dass hier zwei Zielgruppe zu bedienen sind. Wie gehe ich hier bei Angebotsentwicklung und der Konzeption einer Marketingstrategie vor? Ganz klar! Sie müssen diese Bereiche unbedingt unabhängig voneinander bearbeiten. Nehmen wir uns selbst als Beispiel. Dr. Mohr kommt ursprünglich aus der Druckbranche. Seit den 50er Jahren besteht unsere Druckerei inzwischen sehr spezialisiert auf den Endlos- und Formulardruck, eine Nische, in der es in ganz Deutschland nur noch knapp 40 Betriebe gibt. In den 90ern kam unsere Agentur für Markenbildung dazu, einfach aus dem Grund, weil wir unseren Kunden gerne einen Rundum-Service in Sachen Marketing bieten wollten und nicht erst bei dem letzten Schritt, der Produktion, ins Spiel kommen wollten. Wir haben also auf der einen Seite unser Druckwerk mit über 6.000 Kunden in ganz Deutschland, auf der anderen Seite unsere Agentur mit 700 Kunden im gesamten deutschsprachigen Raum. In beiden Bereichen bedienen wir zwei komplett unterschiedliche Zielgruppen. In der Druckerei sind es große mittelständische Unternehmen oder Konzerne aus allen möglichen Branchen, unser Ansprechpartner ist hier meist der Einkäufer. Mit der Agentur sind es kleine und mittelständische Unternehmen, die sich in ihrer Region oder Branche mit ihren vorhandenen Möglichkeiten als Marke etablieren möchten. Unser Ansprechpartner ist hier der Unternehmer selbst oder sein Marketingleiter(-in). Diese Zielgruppen sind alleine schon durch ihre Ansprüche, Ziele und Engpässe anders gestrickt. Hier sind unterschiedliche und auf die Zielgruppe angepasste Strategien essentiell. Ansonsten hätten wir zu hohe Streuverluste und der Akquise-Erfolg läge quasi bei Null.
Die Zielgruppenbestimmung muss demnach für beide Bereiche gesondert und mit viel Überlegung getroffen werden.
Wie bestimme ich nun meine Zielgruppe?
Um eine Zielgruppe zu bestimmen, gibt es unendlich viele Möglichkeiten. Im Bereich der Marktsegmentierung sind wohl die Sinus-Milieus am bekanntesten. Es gibt ganze Unternehmen, die sich nur auf die Zielgruppenforschung spezialisiert haben. Eines davon ist das eben erwähnte Sinus-Institut.
Wie Sie selbst hier schon die ersten Meilensteine erreichen können, möchte ich Ihnen anhand der von uns praktizierten Positionierung erläutern.
Bei der ERP geht man davon aus, dass der eigene Gewinn rein über den wahren Nutzen, den Sie als Unternehmen Ihrer Zielgruppe bieten können, optimiert werden kann. Der Engpass der eigenen Zielgruppe spielt hier eine entscheidende Rolle. Denn nur wenn Sie mit Ihrer Leistung einen Engpass, ein Problem oder ein Leiden bei Ihrem Kunden lösen können, werden Sie Erfolg haben. Das Ziel ist dabei natürlich, durch eine Spezialisierung entsprechend Ihrer Ressourcen eine lukrative Marktnische zu finden. Nur wo Ihr Kunde Leid spürt, wird er bereit sein zu reagieren.
So weit, so gut – wie können Sie nun vorgehen?
Schritt 1: Werfen Sie einen Blick auf, das was schon da ist
Nehmen Sie sich Zeit und setzen Sie sich gemeinsam mit einem kleinen Team Ihrer Mitarbeiter hin und betrachten Sie den Status Quo Ihres Unternehmens. Welche Ziele haben Sie? Welche Chancen sehen Sie in den nächsten 5 Jahren innerhalb Ihrer Branche? Welche Steine müssen dafür noch aus dem Weg geräumt werden? Welchen Mehrwert können Sie potenziellen Kunden bieten? Wie heben Sie sich aktuell von Ihrem Wettbewerb ab? Sind Sie bereits attraktiv für Kunden und Mitarbeiter? Was können Sie besonders gut? Bei welchen Aufträgen gibt es regelmäßig Probleme und welche laufen ohne Hürden bei Ihnen durch?
Schritt 2: Sammeln Sie potenzielle Abnehmer Ihrer Leistungen oder Produkte
Überlegen Sie nun, welche potenziellen Kunden mit den bestehenden Voraussetzungen aus Schritt 1 für Sie interessant wären bzw. welche Zielgruppe genau Ihre Dienstleistung oder Ihr Produkt benötigen. Erstellen Sie erst eine umfassende Sammlung, entscheiden Sie sich noch nicht.
Schritt 3: Zeit für eine Entscheidung
Gehen Sie nun jede Zielgruppe, die sie niedergeschrieben haben gemeinsam mit Ihrem Team durch. Welche konkreten Engpässe und Ziele haben sie und können Sie diese als Anbieter auch lösen? Welche Chance bietet diese Zielgruppe für Ihr Unternehmen? Besteht hier Wachstum für Ihre Zielgruppe und für IHR Unternehmen? Ist die Zielgruppe zu groß oder zu klein? Bietet Sie ausreichend Potenzial für Sie und Ihr Unternehmen? Wählen Sie nun aus und entscheiden Sie sich für eine Hauptzielgruppe.
Schritt 4: Entwickeln Sie ein individuelles Angebot
Natürlich ist jeder Kunde anders. Wir sprechen hier über Menschen, egal ob wir uns im B2B- oder B2C-Bereich bewegen. Sie alle haben unterschiedliche Charaktereigenschaften, Ansprüche, Budgets oder einen anderen Wissensstand. Dennoch gibt es Gemeinsamkeiten. Schnüren Sie für diese Gemeinsamkeiten und Verbindungen ein konkretes Angebot. Dies kann eine Innovation in Ihrer Leistung oder Ihrem Produkt sein. Es kann aber auch Ihren Service betreffen.
Wichtig: Wählen Sie erst die Zielgruppe und gehen Sie erst danach Ihre Spezialisierung, Ihr Angebot oder Ihre Positionierung an.
Natürlich ist es nach der Zielgruppenentwicklung essentiell, ein auf die Zielgruppe und Ihr Leuchtturm-Angebot maßgeschneidertes Marketing-Konzept zu entwickeln, in dem wichtige Fragen, wie „Wie und wo erreiche ich meine Zielgruppe?“, „Wie vermittle ich ihr glaubwürdig und authentisch den wichtigsten Kundennutzen?“ und „Wie lade ich meine eigene Marke mit möglichst viel Energie auf, damit ich attraktiv für Neukunden und Bewerber werde?“ berücksichtigt und beantwortet werden.
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