Bei vielen Werbespots hat man den Eindruck, dass sich die Kreativen in den Werbeagenturen immer mehr vom Alltag der Konsumenten entfernen und in Wolkenkuckucksheim Kampagnen entwerfen. Das äußert sich zum Beispiel bei der Auto-Werbung mit Fahrten durch autofreie urbane Straßenschluchten und auf völlig verkehrslosen fünfspurigen Autobahnen, die direkt an verlassene Badestrände führen. Genauso unrealistisch sind die Wertebotschaften von Lebensmittel-Discountern, die angeblich einen Riss durch die Gesellschaft kitten oder Möbelhäusern, die mit ihrem Angebot exzessive Glücksschreie verursachen. Umso weniger Werbung wirkt, desto überzogener greifen die Kampagnen-Verantwortlichen in die Trickkiste, so dass eher ein Fremdscham-Effekt bei den Zuschauern und Zuschauerinnen entsteht als ein Kaufwunsch. „Halten uns die alle für völlig bescheuert?“ fragt sich der gemeine Konsument oder die adressierte Konsumentin und wendet sich entsprechend vom Geschehen ab.
Konzentration auf das Wesentliche
Der bekannte Kolumnist Thomas Koch bezieht in seinem Artikel: Das werden (nicht) die Marketing-Trends von 2023 in der Wirtschaftswoche entsprechend Stellung. „Der empfehlenswerteste Trend kommt daher von Miriam Rupp (Mashup Communications): <Statt hektisch dem nächsten Hype zu folgen, sollten sich Marken auf ihre Werte und ihre Vision besinnen und ihr Narrativ bewusst aufbauen.>“ Er dankt ausdrücklich dieser Expertin mit gesundem Menschenverstand.
Doch den wichtigsten Trend blenden viele Kreative immer noch aus. „Ina von Holly (We Do Communication) formuliert es in einem Beitrag für das Magazin „Markenartikel“ mit Nachdruck: <Um Unternehmen gründlich und nachhaltig zu verändern, dazu braucht es mutige Arbeit an der Zukunftsfähigkeit für Nachhaltigkeit. Es braucht den Fokus und den Freiraum und ein radikales Umdenken. Die Aufgaben sind zu dringlich, als das man warten könnte, bis die Nachhaltigkeitsstrategie fertig ist.>“
Die Blase der Werber:innen muss platzen
Schließlich resümiert der Artikel von Koch in der Behauptung: „Bemerkenswert, aber höchst bedenklich ist, dass sich nicht einer der Experten bemüht, das Hauptproblem des Marketings der Gegenwart zu lösen“ die Tatsache, dass Werbung als immer unglaubwürdiger und irrelevanter empfunden wird, wie eine aktuelle Studie von Nielsen der Branche erneut bescheinigt. Den Grund dafür will niemand in Marketing und Agenturen hören. Den weiß jedoch Marketing-Professor Oliver Errichiello: <Die Werber leben in einer Blase, die nur noch wenig mit den Werten eines breiten Querschnitts der Deutschen zu tun hat.>
Die Werber schaffen nach Errichiello immer mehr eine Werbung, die „von normalen Menschen als irrelevant wahrgenommen wird“. Sein stärkster Vorwurf an die Werber jedoch lautet: „Die Marken geben viel Geld aus. Doch sie zeigen Werbung für niemanden.“ Das wird deutlich in dem bereits angesprochenen Penny-Werbefilm „Der Riss“. Eine aufwändige Inszenierung zeigt eine Gesellschaft, die wieder Mitgefühl und Gemeinschaft braucht. Ob allerdings ein Discounter dafür das Zusammengehörigkeitsgefühl in der Gesellschaft zuständig ist, darf eher bezweifelt werden.
Die Entfremdung von der bunten Werbewelt bietet für viele mittelständische Unternehmen die Chance, einen Gegenentwurf dafür zu initiieren. Eine natürliche, authentische und glaubwürdige Botschaft mit echten Mitarbeiter:innen, reellen Kund:innen und mit einem Statement der tatsächlichen Inhaber:innen und Geschäftsführer:innen. Wir nennen diese Kurzvorstellung auch „Aufzugspositionierung“ und legen hier besonders großen Wert auf das natürliche Auftreten mit allen Schwächen und Stärken.
Diese Chance sollte jedes familiengeführte Unternehmen nutzen und bewusst einen Gegenpol zum Werbegetöse der Konzerne entwerfen. Genau darin liegt die Stärke für ein kleines und mittelständisches Unternehmen. Man kann mit einem ungeschminkten und natürlichen Auftritt eine hohe Glaubwürdigkeit als Gegenentwurf zu dem Getöse der Szene-Agenturen bei den Kunden und Kundinnen schaffen.
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